Abgekanzelt

Verwunderlich wäre es nicht, wenn sich nun wieder SPD-Mitglieder zu Wort melden würden, die einen Rauswurf des früheren Kanzlers und SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder aus seiner Partei verlangen. Aus seiner und ihrer. Hatte er doch dem Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern jetzt erklärt, was die polnische Regierung in Warschau damals zum Projekt  North Stream 2 gesagt habe, das habe ihn nicht interessiert. Wörtlich gab ein offensichtlich übellauniger 81-Jähriger von sich: „Was die polnische Regierung für Einwände hatte, das interessierte mich nicht.“ Er ergänzte: „Natürlich sind wir durch die Ostsee gegangen, weil wir keine Interventionen eines anderen Landes wollten“ und „um störungsfrei an russisches Gas zu kommen.“

Eine Initiative gegen die andauernde Mitgliedschaft Gerhard Schröders in der SPD fände nach dieser Äußerung eine neue Begründung. Denn im gültigen Hamburger Grundsatzprogramm der SPD ist zu lesen: „Die deutsch-französische Freundschaft und Zusammenarbeit war und bleibt nicht nur Motor der europäischen Einigung, sie hat und behält ihren Eigenwert. In gleicher Weise wollen wir auch die Beziehungen zu Polen weiterentwickeln.“
Freundschaft und Zusammenarbeit mit Polen soll nach dem politischen Willen der Sozialdemokratie einen „Eigenwert“ erhalten, der dem Eigenwert der französisch-deutschen Bindung entspricht. Die schnöde Art, in welcher polnische Einwände, sprich: Interessen abgekanzelt wurden, ist damit nicht vereinbar. Auch heute ist diese schnöde Art keine Kleinigkeit. Anfang 2025 begründete die noch amtierende Bundesregierung ihre Weigerung, North Stream 2-Akten auf Forderung der Bild-Zeitung zu veröffentlichen mit dem Argument der „nachteiligen Auswirkungen auf internationale Beziehungen“ und damit, dass die „Stellung … der Bundesrepublik in der internationalen Gemeinschaft negativ beeinträchtigt“ werden könnte.
Die Sorge hat sich jetzt wenigstens teilweise erledigt: Den Job hat ein Ex-Kanzler erledigt. Fortsetzung folgt – wollen wir wetten?

Bildung, beste Waffe gegen Autokraten, Patriarchen und Populisten

Revolutionärin, Frauenrechtlerin, Schriftstellerin und Verfasserin der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ von 1791, darin Artikel 10: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen.“ (Foto: Kucharsky auf wikimedia commons)

Bereits der Titel „Vergesst Kant!“ ist eine Provokation. Tina Hartmann, Professorin für Literaturwissenschaft, Autorin und Librettistin, rät, den Titel symbolisch zu verstehen. Das ist ganz und gar nicht als Entwarnung gemeint, denn das Symbolische hat es in sich. Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen und technischen Höhenflügen scheint die Weltgesellschaft im praktischen und sozialen Leben in einem Bedeutungsnetz verfangen, gewebt aus zutiefst vormodernen unaufgeklärten Bedeutungsfäden. Dazu zählen die gewalttätige Unterdrückung von Frauen und Mädchen, die Feindseligkeit gegenüber Fremden, die Lust an Krieg und Terror und eine Heldenverehrung, die keine Heldinnen kennt.

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Das Übel wird nicht besser, wenn Frauen daran Anteil haben

Foto: IPPA-Fotograf auf wikimedia commons

Ab 2027 werden junge Männer wieder verpflichtend “gemustert”, die Bundeswehr soll auf 260.000 aktive Soldaten (und zusätzlich 200.000 Reservisten) aufgestockt werden. Wenn das nicht auf freiwilliger Basis klappt, droht Zwang, die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Der Berliner Rechtsanwalt Udo Grönheit hat Jahrzehnte lang Mandanten vertreten, die sich in der einstigen Mauerstadt dem Dienst mit der Waffe entzogen. „Wenn weibliche Emanzipation bedeuten soll, dass Frauen sich an dem männlich geprägten Verhalten der „Konfliktbewältigung“ mit Gewalt beteiligen können, stößt das auf meine entschiedene Ablehnung“, sagt er im Interview mit Thomas Gesterkamp.

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Genügen die drei Trumpfkarten des Sébastien Lecornu?

Sébastien Lecornu (Foto: US-Verteidigungsministerium auf wikimedia commons)

„Ras le bol“. Das klingt wie ein Sturm der Entrüstung, der in diesen Tagen über Frankreich hinwegzieht und die Paläste in Paris vom Elysée Palast des Staatspräsidenten Emmanuel Macron bis zum Palais Bourbon der Nationalversammlung erschüttert. Doch niemand geht zwischen Le Havre und Marseille auf die Straße, weder die stets streikbereiten Staatsbediensteten der Bahn noch die Arbeitgeber, die am 13. Oktober mit einer großen „Manifestation“ gegen jede Form einer Reichensteuer mobilisieren wollten. „Ras le bol“, das Wort fällt, wenn Französinnen und Franzosen nichts mehr einfällt. Und sie „die Nase voll haben“, sie ihrem Überdruss an „denen da oben“ und überhaupt Luft machen, aber nicht einmal mehr Lust zum lautstarken Protest und Streik haben.

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Gutes und gesundes Essen – auch eine soziale Frage

Foto: VanBk auf Pixabay

Die Deutschen essen weniger Fleisch. 2018 waren es durchschnittlich 60,9 Kilo, in den vergangenen drei Jahren waren es etwas weniger oder etwas mehr als 53 Kilo. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Die einen denken an ihre Gesundheit, andere ans Tierwohl und viele von ihnen auch daran, dass Fleisch mehr Energie und Wasser in Anspruch nimmt und mehr Emissionen verursacht als pflanzliche Lebensmittel. Männer essen deutlich mehr Fleisch als Frauen, fast doppelt so viel. Einige versuchen daraus einen Kulturkampf zu machen: Der fleischessende Mann wird als bedrohte Art dargestellt, die vor dem Verschwinden bewahrt werden muss.

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„Neue Grundsicherung“ – Rolle rückwärts oder Schritt nach vorn?

Bild: canva auf Pixabay

„Hartz 4“ bleibt ein Aufreger. Kaum im Jahr 2023 eingeführt, soll das Bürgergeld bald schon Geschichte sein, wie es CSU-Chef Markus Söder formulierte nach dem Aushandeln des Kompromisses zur Reform der Grundsicherung für Arbeitsuchende, so seit 2005 der offizielle Titel des Sozialgesetzbuches II (SGB II). Ebenso vollmundig wie heute das Ende des Bürgergelds verkündet wird, hatte die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen 2022 eine „Ende von Hartz 4“ und einen Neuaufbruch bei der Grundsicherung versprochen. Man wollte weg vom paternalistisch-bevormundenden Sozialstaat und hin zu einer Unterstützung „auf Augenhöhe“, weg von strengen Sanktionen bei Pflichtverletzungen, hin zu offen ausgehandelten Kooperationsplänen zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten, weg von „work first“, hin zu Qualifizierung und nachhaltiger Integration ins Arbeitsleben.

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Himmel der Nächstenliebe, Boden der Tatsachen – Spekulatives über Bürgergeld

Screenshot: Bürgergeld. Verein für soziales Leben

Laut KI, wie sie von Google zur Verfügung gestellt wird, liegt die durchschnittliche Summe des Bürgergeldes aktuell (Juli 2025) bei 647 € für Frauen, 637 € für Männer. Um zu realisieren, wieviel das ist, kann ich versuchen, eine Weile davon zu leben. Um zu erfahren, wieviel ich tatsächlich bekommen würde, müsste ich schon einige Unterlagen zur Verfügung stellen. Um zu wissen, was es bedeutet, müsste ich in die Lage kommen.
Auch wenn das Bürgergeld Anlass gibt, die Wirklichkeit in unendlichen Berechnungen einzufangen, so bewegen die Vorstellungen sich doch in bestimmten Bahnen. Zwar stimmt in der Wortbildung das politische mit dem ökonomischen Subjekt zauberhaft überein, aber der Zauber bedient sich wohl bei der Ambiguität des Genitivs, so dass unklar bleibt, ob es sich um das Geld des Bürgers oder doch bloß um Geld für den Bürger handelt, ersteres ein einfacher Besitz, letzteres aber ein komplexes Verhältnis, bei dem das Bürgergeld zum Objekt des doppelten Vergleichs mit Arbeitsentgelt und Lebenshaltungskosten wird. Im Pingpong des wechselnden Bezugs entfaltet sich das Drama.

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Sanktionen gegen Russland – nicht wirkungslos, aber nicht konsequent genug


Screenshot: Youtube

„Zugegeben, die Sanktionen könnten konsequenter sein und effektiver durchgesetzt werden. Russland versucht nicht ohne Erfolg, das Sanktionsregime zu umgehen. China spielt dabei eine herausgehobene Rolle“, sagt Osteuropa-Experte Andreas Wittkowsky im Interview mit Wolfgang Storz. Wahrscheinlich verbleibe auch ein Teil der europäischen Exporte nach Zentralasien im Transitland Russland oder werde dorthin re-exportiert. Einzelne EU-Mitgliedsstaaten hätten außerdem die Sanktionierung einzelner Güter durch Brüssel mehrfach verhindert. Einen „Etappensieg“ für den russischen Präsidenten nennt Wittkowsky den sogenannten Alaska-Gipfel mit Trump und die anschließende Reise nach China mit den sorgsam inszenierten Bildern von Xi, Putin und Kim.

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Die „Eurasische Union“ als Kernstück der dritten Amtszeit Putins

Das allgemeine Wissen über politische Abläufe, vor allem über die wirtschaftlichen Strukturen und über die innenpolitischen Machtkonstellationen sowie über die Prozesse der Entscheidungsfindung in der Regierung Russlands ist hierzulande gering und meist oberflächlich. In der öffentlichen Debatte – verschärft durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine – ist Putin ein diktatorischer Schurke, der autokratisch und seinem ideologisch verbrämten „Imperialismus“ entsprechend entscheidet. In den Medien überwiegend und in der Politik der meisten europäischen Staaten (nicht mehr allerdings von Trump) wird Russland als ein „totalitärer“, „imperialer“ Terrorstaat beschrieben mit einer gewissenlosen und kriminellen Clique um den mit einem Gewaltapparat (Geheimdienste, Polizei, Armee) herrschenden Putin. Soziale Auseinandersetzungen werden in der Berichterstattung vernachlässigt bzw. nur dann aufgegriffen, wenn sie sich gegen die Regierung richteten, wie etwa 2011ff. als hunderttausende Menschen erst gegen Putins Kandidatur und danach gegen seine Wahl für eine zweite Amtszeit als Präsident der Russischen Föderation auf die Straße gingen.

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Ein Rechnungshof trotzt dem Zeitgeist

Foto: TouN auf wikimedia commons

Der „Cour des comptes“, der französische Rechnungshof, hat kürzlich seinen ersten Bericht zum Stand der „Ökologischen Transformation“ in Frankreich vorgelegt. Für die deutsche Diskussion über Umwelt- und Klimapolitik sind nicht so sehr die auf französische Verhältnisse abgestimmten Empfehlungen an die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen interessant. Dabei ist es schon bemerkenswert, dass der Rechnungshof ausdrücklich Sektorziele für die Verringerung der klimaschädlichen Emissionen für nötig hält. In Deutschland ist genau das auf Betreiben der FDP im Gefolge markt-gläubiger Ökonomen abgeschafft worden. Die Begründung lautete, es sei unwirtschaftlich von allen Sektoren, vom Verkehr über die Gebäude bis zur Bereitstellung von Strom und Wärme gleichermaßen zu verlangen, ihre Emissionen so schnell wie möglich auf Null zu bringen. Ausgerechnet ein Rechnungshof sieht das ganz anders, und er hat recht.

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Die KI hat das Zeug, die Marktideologie zu überwinden

Die am 25. September 2015 einstimmig von allen Regierungen der Welt beschlossene UN-Resolution „Transformation unserer Welt: Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ ist inzwischen zehn Jahre alt. Diese „Agenda 2030“ formuliert in 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) einen Zustand des Mensch-Erde-Systems, der durch die „Transformation unserer Welt“ in einer äußerst knappen Frist erreicht werden muss. Wird dieser stabilisierte Systemzustand verfehlt, wird mit einem Kollaps gerechnet. Das Scheitern der „großen Transformation“ würde demnach das Ende der Menschheit bedeuten.
Es ist nicht überraschend festzustellen, dass eine innerhalb dieser engen Frist notwendige Transformation, für die man sich aus ideologischen Gründen weitgehend auf Markt und Wettbewerb verlassen will, nicht gelingt. Denn was notwendig ist, kann man nicht der Freiwilligkeit des Marktes und des Wettbewerbes anheimstellen, was notwendig ist, muss geregelt werden. Das Versagen der Markt- und Wettbewerbsideologie ruft den Staat in seine eigentliche Verantwortung, das, was notwendig ist, mit Vorgaben, Geboten und Verboten zu regeln und zu organisieren. Die Ziele der Agenda 2030, die den für die Fortexistenz der Menschheit auf dem Planeten notwendigen stabilen Zustand beschreiben, bleiben auch dann gültig und richtig, wenn sie nicht oder nicht in der gestellten Frist erreicht werden. Das offenkundige Scheitern einer Nachhaltigkeitspolitik, die auf Markt und Wettbewerb setzt, kann den Blick dafür freimachen, dass die Transformation unserer Welt auch die Transformation dieser Ideologie beinhalten muss.

Wenn man die bisherige Nachhaltigkeitspolitik in eine Phase vor der Verabschiedung der Agenda 2030 bis zum Jahr 2015 und eine Phase nach Verabschiedung der Agenda 2030 einteilt, könnte die seit wenigen Jahren sich kraftvoll entfaltende KI auch eine neue Phase der Nachhaltigkeitspolitik einläuten. Denn mit dieser KI lässt sich nicht nur der aktuell prekäre Zustand des Mensch-Planet-Systems auf nie dagewesene Weise dynamisch darstellen. Es lässt sich auch der systemisch nachhaltige Zielzustand dynamisch beschreiben und vor allem lassen sich wie nie zuvor Maßnahmen-Roadmaps entwerfen, die zeigen, wie man von der prekären Gegenwart in eine nachhaltige Zukunft kommt. Die von der KI unter den richtigen Fragestellungen entworfenen Vorschläge könnten eine Notwendigkeitsobjektivität entfalten, der sich kein Staat, keine Regierung, keine Politik und Gesellschaft dauerhaft verweigern kann.

Transformation in Trouble

Foto: geralt auf Pixabay

In der Klimapolitik macht sich Ernüchterung breit. Die hochfliegenden Pläne einer „großen Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft, um die Pläne zur Begrenzung des Erderwärmung auf 1,5 Grad umzusetzen, haben nicht erst mit der Abwahl von Regierungen mit ehrgeizigen Klimazielen empfindliche Dämpfer erhalten. Skepsis mit Blick auf die Umsetzbarkeit einer konsequenten Klimapolitik gibt es schon länger. Zum einen würde eine solche Politik, wenn sie irgendeine nachhaltige Wirkung entfalten soll, eine globale Kraftanstrengung erfordern, an der sich nicht nur Deutschland mit seinen 1,6 Prozent und Europa mit 13,2 Prozent Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß beteiligen müssten, sondern alle Länder, in erster Linie die USA, aber auch all die Länder, die sich erst am Anfang oder in einem früheren Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung befinden. Zum anderen erscheint es nach den Ergebnissen der letzten Wahlen in vielen Ländern der Welt unwahrscheinlicher denn je, dass sich für die notwendigen Maßnahmen einer Transformation auf Dauer demokratische Mehrheiten finden.

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Grausamkeit gegen Tiere

Die Theoreme heutiger Naturwissenschaften sind für einen Laien kaum zu verstehen. Ist einer naturwissenschaftlich ausgebildet und betreibt kenntnisreich Philosophie, muss er bald als ein Exot gelten. Dieser Autor hat seine Ausbildung als Biochemiker erfahren, ist später Hochschullehrer für Philosophie geworden, und Berührungsangst mit politisch-praktischer Tätigkeit ist ihm fremd. Er schreibt in diesem Buch über Descartes, Spinoza und Fichte. Er schreibt über sie in einer Weise, die man in keinem Philosophielehrbuch und keinem Wikipediaartikel findet. Er macht sie mitverantwortlich für die „allenthalben zu beobachtenden Grausamkeiten gegenüber den Tieren.“

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Sozialdemokratisches Kammerflimmern

Landauf, landab, regional, überregional, als Print und digital ist zu lesen, Herbert Wehner habe Dortmund als „Herzkammer der SPD“ bezeichnet. Die Quellenangabe fehlt überall. Einen in Düsseldorf ansässigen blog, der sich viel auf seine Nähe zur Sozialdemokratie zugutehält, habe ich gefragt, ob er, beziehungsweise der Autor eines diesbezüglichen Textes, mir schreiben könnte, wo die Quelle für die Herzkammer- Qualifizierung zu finden sei. Man hat kurzerhand die Frage entfernt. Auch eine Antwort.
Also: Watt is mit de Herzkammer. In seinen nachgelassenen Schriften und bei ausgewiesenen Kennern und Kennerinnen Wehners find ich keine Quellenangabe. Das ist ja auch eigentlich nix Schlimmes. Unser Menschenkosmos ist erfüllt von zugeschriebenen Worten, die sich nicht an eine Quelle und eine Person sicher binden, an einem Ort, an Zeit und Medium festmachen lassen. Es ist nur so: Vor wenigen Jahren noch wurde das angebliche Zitat mit einem gedanklichen „bo – eh“ zusammengelesen. Nun ist´s „bo eh“ weg und ein wenig Häme lagert sich auf der Herzkammer ab.

Was lässt sich denn überhaupt sagen? Wikipedia berichtet unter dem Stichwort  „Parteihochburg“ in NRW:  „Zwischen 1966 und 2005 und von 2010 bis 2017 stellte die SPD in NRW ununterbrochen den Ministerpräsidenten und das Land galt als „Herzkammer der SPD“. Hochburgen hat die SPD vor allem im zentral gelegenen Ruhrgebiet sowie in den zahlreichen Großstädten.“ Das ist ein wenig vorsichtiger beschrieben als bei vielen Koronar-Experten. Tatsächlich hat Wehner in der einzigen bekannten Anbindung etwas anderes gesagt, partiell jedenfalls. Ich folge hier dem SPD-Unterbezirk Bochum, um ins Jahr 1973 zu gelangen: „Herbert Wehner hat in seiner Gründungsrede die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen als ‚Auge, Ohr und Herzkammer der SPD‘ bezeichnet. Das war nicht fürs sozialdemokratische Feuilleton gesagt, sondern als Programm gemeint.“ Und dieser Satz hat offenkundig Beine bekommen. Resumee, Summe: Die Herzkammer zu Dortmund ist eher eine Gurke – wenngleich wunderbar klingend. Pardon: nicht Gurke sondern ein Gürk´sen, wie man da sagt.

Ein Fall von Zahlen-Missbrauch

Institut für Demoskopie Allensbach (Foto: Joachim Kohler auf wikimedia commons)

Dr. Thomas Petersen ist Projektleiter am Institut für Demoskopie Allensbach. 2009/2010 war er Präsident der internationalen Fachgesellschaft „World Association for Public Opinion Research“ (WAPOR). Immer wieder schreibt er in der FAZ über die monatlichen Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach, zum Beispiel am 21. August 2025 (paywall). In diesem Artikel stellt er dar, welche Änderungen in Wirtschaft und Sozialsystemen die Menschen in Deutschland erwarten und welche dieser Änderungen sie „akzeptabel“ finden. Man kann getrost unterstellen, dass das Allensbacher Institut methodisch sauber arbeitet. Die Zahlen werden korrekt sein. Was aber macht Dr. Petersen mit ihnen?

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