Was ist da schon eine Regierungskrise

Was nun, Monsieur le Président? Frankreich hat wieder einmal eine geschäftsführende Regierung, keinen Haushalt für das kommende Jahr und streikende Lehrer wie Beamte auf den Straßen. Und wie bereits im Sommer nach der schnellen Auflösung des Parlaments durch Macron und den noch schnelleren Neuwahlen, bei denen kein Block eine absolute Mehrheit erhielt, geben sich im Elysee-Palast Politiker und Politikerinnen die Klinke in die Hand. Die Verantwortung für diese neue Krise schieben die Parlamentarier dem Präsidenten zu, der Präsident schiebt sie in einem zehnminütigen Fernsehappell an sie zurück.
Michel Barnier (73), der dritte Premierminister in zwei Jahren, wurde nach nur drei Monaten im Amt mit einem Misstrauensvotum im französischen Parlament, der Nationalversammlung im Palais Bourbon, abgewählt: 331 Abgeordnete (von 577, minus drei zur Zeit unbesetzten Mandaten) stimmten für den Antrag der 185 Abgeordneten der Neuen Volksfront (NFP) aus Sozialisten, Kommunisten, der Öko-Partei und den „Unbeugsamen“: Fast geschlossene Reihen von ganz Links bis zur den Rechtsextremen des Rassemblement National (nur eine Sozialistin und ein unabhängiger Linker blieben der Abstimmung fern). Es war ein Sturz der Minderheitsregierung mit Ansage: Sobald Barnier versuchen würde, mit Hilfe des Paragraphen 49.3 der Verfassung ein Gesetz zum Haushalt und der Sozialversicherung am Parlament vorbei durchzusetzen, würde die Partei Marine Le Pens ihre bisherige wohlwollende Duldung des konservativen Premiers beenden und mit dem Linksblock die „censure“ durchziehen. Jede und jeder wusste am Montag, den 2. Dezember, was im Palais Bourbon passieren würde, als Barnier für das Gesetz zur Sozialversicherung den Artikel 49.3 bemühte.
Wer aber wird bei diesem Verschleiß von Berufspolitikern der vierte Premierminister, auch er oder sie auf Abruf? Wer hält sich mit welcher Mehrheit auch immer noch ein halbes Jahr im Amt, bis Macron im Juni das Parlament erneut auflösen wird? Einer, der sich immer wieder ins Gespräch gebracht hat, ist François Bayrou (73), ein altgedienter konservativer Katholik der Mitte mit guten Kontakten zu Le Pen. Macron will sich schnell entscheiden, doch zunächst wartet Großes auf ihn: Das Festwochenende (7./8. Dezember) mit der Wiedereröffnung von Notre-Dame de Paris, die nach der Feuerbrunst vor fünf Jahren in neuem Glanz erstrahlt. Emmanuel Macrons Inszenierung ist perfekt mit Donald Trump und Wolodomir Selenskij. Was ist da schon eine Regierungskrise!

Plattformen: Wüste Kommunikation in Echokammern

Bild: geralt auf Pixabay

Nach der kurzen Auseinandersetzung mit der Kritik von rechts an der demokratisch verfassten öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft wollen wir uns den Plattformen widmen. Sie gehören zu den wichtigsten medialen Institutionen, die sich in Folge der Digitalisierung entwickelt haben. Plattformen sind politisch nicht neutral. Sie stellen nicht nur den Programmcharakter der öffentlich-rechtlichen Medien in Frage, sondern produzieren mediale Konsumgewohnheiten, die der Entwicklung urteilsfähiger Bürger:innen nicht förderlich sind.1

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Ukraine: Putin ante Portas und Trump im Weißen Haus

Bild: ELG21 auf Pixabay

Nach über 1000 Tagen Krieg, zahllosen Toten und Verwundeten, zerstörter Infrastruktur, zerbombten Häusern, Dörfern und Städten steht die Ukraine vor der Wahl, entweder aus einer Position der Schwäche über einen Waffenstillstand zu verhandeln oder zu versuchen, eine entscheidende Wende auf dem Schlachtfeld zu erzwingen. Letzteres ist allerdings ohne mehr westliche Waffen und – um es einmal auszusprechen – westliche Truppen kaum vorstellbar. Trotz westlicher humanitärer, finanzieller und militärischer Hilfe verschlechtert sich die Lage der Ukraine. Gleichzeitig dreht die Eskalationsspirale sich weiter – real und verbal.

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Aus 1984 lernen heißt, den Konflikt langfristig gründlich vorbereiten

Vierzig Jahre liegen die Streiks der IG Metall und der IG Medien zurück, die das Tabu der 40-Stunden-Woche durchbrachen und den Weg zur 35-Stunden-Woche eröffneten. Ein Rückblick lohnt, denn das Bedürfnis nach kürzeren Arbeitszeiten und selbstbestimmter Lebensgestaltung ist heute präsenter als in den 1980er Jahren. Kann die Verkürzung der Arbeitszeit wieder zu einem aktuellen Thema werden, das Hoffnungen aufgreift, Kontroversen provoziert und große Debatten in Gang bringt?

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Die Strahlkraft ist nicht verblasst

Bild: IG Metall Bezirk Mitte

Die Zeit ist reif für die Initiierung eines neuen arbeitszeitpolitischen Großprojekts. Die drei großen Strömungen der Moderne – Liberalismus, Marxismus, Keynesianismus – repräsentiert durch John Stuart Mill, Karl Marx und John Maynard Keynes hatten einst den Mut zu weitreichenden Visionen, aus denen aktuelles Handeln seine Inspirationen bezieht: den drei Stunden Tag, die 15 Stunden Woche oder in der etwas bescheideneren Variante von André Gorz: 1000 Stunden im Jahr – das reicht! Schon Thomas Morus verhieß den 6-Stunden-Tag. Heutzutage wirken aktuelle, eher zaghafte Projektionen auf die 32-Stunden-Woche eher kleinmütig und verzagt.

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Kunst und Macht. Ein politischer Blick auf die 60. Biennale in Venedig

„Reich der Mitte“ – Rückgriff auf alte mythische Selbstdarstellung
(Bild, KI generiert: vilkasss auf Pixabay)

Noch einmal strömten die Menschen, jung und alt, in das Arsenal und die Giardini in Venedig: Es ist das vorletzte Wochenende der 60. Biennale, die nach sieben Monaten am 24. November zu Ende gegangen ist. Welche Anziehungskraft diese Schau alle zwei Jahre doch immer wieder hat. Außerhalb des Trubels der Wochenenden ziehen Kinder und Jugendliche in großen und kleinen Gruppen durch die Hallen, sitzen im Kreis vor dem einen oder anderen Bild: der Kunstunterricht in der Lagunenstadt und auch weit darüber hinaus findet hier vor Ort statt. Doch was bleibt von dieser gigantischen Schau hängen mit dem Motto „Fremde überall“, „Foreigners everywhere“? Nicht ein künstlerischer, sondern ein politischer Blick sei gewagt: Es ist mein politischer Blick.

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Eine politische Einzelgängerin

Foto:WikimediaImages auf Pixabay

In den Feuilletons schreiben Feuilletonist:innen sehr, sehr selten über die eigenen Bücher, die Bilder an den Wänden, die ausgesuchten Möbel und anderes mehr. Privatsache! Gleichwohl birgt die jeweilige persönliche „Kultur“ das, was man ist, und ebenso das, was man wünscht, erhofft und im vertrackten Sinn auch noch das, was man ablehnt oder vermisst, was unerreichbar ist.  Angela Merkel, über vier Legislaturperioden Bundeskanzlerin, gehörte zu Stil, Ausstattung, den Wünschen jener Zeit, also der Jahre ab 2000 und erst recht ab 2005 bis 2021.

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Wenn Meister der Zensur über Zensur schimpfen

Bild: geralt auf Pixabay

In den letzten beiden Beiträgen hatte ich die Wirkungen der Digitalisierung auf die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die selbsternannten „Querdenker“ und auf die internen Strukturen solcher sich abschirmenden Gruppen beschrieben. Zu ihrem polemischen Wortschatz, mit dem sie „die Medien“ pauschal kritisieren, gehören „Zensur“, „Entmündigung“, „Staatsmedien“, „Mainstream“ usw. usf. Diese Form der Kritik von rechts ist vielleicht eine Reaktion auf die vierte Enttäuschung (Dirk Baecker), die die Digitalisierung den Bürger:innen zumutet. Nachdem die Menschheit lernen musste, dass weder die Erde der Mittelpunkt des Universums, noch der Mensch die Krone der Schöpfung ist und dass Triebe, nicht Vernunft ihr Verhalten steuern, muss sie nun eine weitere große Desillusion verkraften: Was sie gemeinhin unter „Intelligenz“ versteht, ist nicht so viel mehr als ein berechenbares Kalkül; im Alltag macht das Gehirn nicht viel anderes, als eine jede Situation darauf zu überprüfen, ob diese bekannt ist.

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Mit diesem Feuer spielt man nicht

Bild: geralt auf Pixabay

Zugegeben, der Name verleitet zu Wortspielen, wenn man ihn vor sich hinspricht. Aber Kalauern ist kein guter Stil, zumal der Mann übel genug auftritt. Peter Hegseth, zuletzt Moderator von Fox News, soll nach dem Willen Donald Trumps der nächste Verteidigungsminister der USA werden. Regierungserfahrung besitzt er nicht, seine Führungsqualitäten demonstriert er, indem er mit nacktem Oberkörper martialische Tattoos zur Schau stellt. Sie zeigen das sogenannte Jerusalem-Kreuz, ein beliebtes Erkennungszeichen von Rechtsextremen, und die lateinische Inschrift „Deus Vult“, was übersetzt „Gott will es“ bedeutet. Mit diesem Spruch und jenem Kreuz-Symbol brachen die mittelalterlichen Kreuzfahrer auf, um Jerusalem zu erobern.

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Edzard Reuter und der „Zoff im Spätzlesumpf“

Foto: Regina Kühne auf wikimedia commons

Dass sich der Ende Oktober verstorbene Edzard Reuter nach seinem Ausscheiden als Daimler-Chef mit großem Einsatz für eine lebendige Demokratie und kritischen Journalismus einsetzte, findet zwar in vielen Nachrufen bundesweit angemessene Erwähnung. Dass sich dieses Engagement in seiner langen Lebensspanne von 1996 (1987 bis 1995 war er Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG) bis zu seinem Tod jedoch ganz wesentlich darin konkretisierte, sich vehement gegen Stuttgart 21 zu stellen, bleibt durchweg unerwähnt. Reuter sah Stuttgart21 – und das ist die Aktualität seiner Positionierung – als „Verbrechen an der Demokratie“, als „politischen Betrug“ und als Musterbeispiel dafür, wie man politische Glaubwürdigkeit verspielen kann.

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Gesetzt den Fall eines Putin-Tribunals

20 von 35 Jahren hat Radislav Krstic abgesessen, 15 Jahre hat er noch vor sich. Nun hat der aus Bosnien stammende, in Den Haag verurteilte Ex-Militär der serbischen Armee eingestanden, dass im damaligen Krieg und insbesondere in Srebrenica Völkermord begangen worden ist. Ohne Wenn und Aber. Er ist der erste der verurteilten Kriegsverbrecher, der aus einer Ansammlung von Leugnern ausgebrochen ist. Vielen deutschen Medien war dieses Geständnis leider keine Erwähnung wert.

April 2004 – Die erste Verurteilung wegen Völkermordes wird in der Berufung aufrechterhalten. Die Berufungskammer stellt fest, dass Radislav Krstić, ehemaliger Kommandeur des Drina-Korps der bosnisch-serbischen Armee, Beihilfe zum Völkermord in Srebrenica geleistet hat. (Bild: Internationaler Strafgerichtshof der Vereinten Nationen für das ehemalige Jugoslawien auf wilkimedia commons)
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Wenn Aufrüstung Ausrüstung heißt

Bild: Pexel auf Pixabay

Die Aussage ist deutlich: „Wir arbeiten für die Landes- und Bündnisverteidigung“, sagt Thomas Pretzl im IG-Metall-Mitgliedermagazin Metall: Er ist Betriebsratsvorsitzender der Airbus Defence and Space im bayerischen Manching und Mitglied der IG Metall. Die organisiert nicht nur Auto- und Maschinenbauer, sondern auch die Beschäftigten der Rüstungsbranche. Im Airbus-Werk bei Ingolstadt werden auch der Eurofighter und die Awacs-Aufklärer gewartet. Zudem baut Airbus gemeinsam mit ausländischen Partnern eine europäische Drohne. Pretzl macht sich trotzdem Sorgen. Es gebe „einen Trend, die Luftwaffe mit amerikanischem Gerät auszustatten“, klagt der Betriebsrat. Die derzeitige Vergabepraxis des Verteidigungsministeriums, etwa die Bestellung des Kampfflugzeugs F-35 beim US-Hersteller Lockheed, sei „eine Enttäuschung für unsere Belegschaft“. Eine „militärische Luftfahrtstrategie“ der Bundesregierung fordert auch Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall. Kann es Arbeitnehmervertretern gleichgültig sein, mit welchen Produkten die Kollegen ihr Geld verdienen?

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Gründlich umkrempeln, mit Ehrlichkeit und Klartext

Können Städte Labore für die erfolgreiche Bewältigung der vielfältigen Menschheitskrisen sein? Ja, sagt Peter Kurz. Aber damit das gelingt, müsse die Politik gründlich umgekrempelt werden, gerade auch in Deutschland.
Kurz war von 2007 bis 2023 Oberbürgermeister der Stadt Mannheim. Darüber hinaus war er Mit-Initiator des Global Parliament of Mayors (Weltparlament der Bürgermeister) und ab 2019 dessen Präsident. Auch auf europäischer Ebene hatte er Funktionen in kommunalen Gremien und war viele Jahre Präsident des Bundesverbandes Wohnen und Stadtentwicklung (VHW). Als Oberbürgermeister der vom Strukturwandel geprägten und keineswegs einfachen Stadt Mannheim hatte der Sozialdemokrat, wie Kommunalexperten und Oberbürgermeisterkollegen bescheinigen, in vieler Hinsicht durchaus ein gutes Händchen. Wenn Peter Kurz nun in einem schmalen Bändchen thesenhaft seine Idee von „guter Politik“ vorstellt, sollte man also hinschauen.

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Nawalnys Vermächtnis

Die Autobiografie des im Februar in einem russischen Straflager ermordeten Kremlkritikers Alexej Nawalny ist jetzt erschienen. Sein Buch »Patriot« ist eine ebenso politische wie persönliche Anklageschrift gegen Putins Regime – und das Vermächtnis eines mutigen Mannes, der den Glauben an eine bessere Zukunft Russlands nicht aufgeben wollte.
Das Ende war so, wie er es vorausgesehen hatte: „Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen und dort sterben. Es wird niemand da sein, von dem ich mich verabschieden kann,“ notierte Alexej im Putin´schen Gulag. Am 16. Februar 2024 starb er allein im Straflager „Polarwolf“ in der Arktisregion unter nicht geklärten Umständen. Tagelang weigerten sich die Behörden, seine Leiche herauszugeben, bis seine Mutter Ljudmila Nawalnaja in einem Videoappell an Putin die Erpressungsversuche öffentlich machte. Sie erreichte es letztlich, dass Nawalny am 1. März unter großer Anteilnahme Tausender Menschen in Moskau beerdigt wurde.

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Gefesselt, mit Haut und Haaren einverleibt oder Ohne Abstand kein Anstand

Bild: geralt auf Pixabay

Kennen Sie das noch? Vor nicht allzu langer Zeit sind die meisten von uns (ich bin Österreicher) pünktlich um 19:30 Uhr vor dem Fernsehgerät gesessen (mit „sicherem“ Abstand zum Bildschirm, meist auf dem Sofa oder einem gemütlichen Stuhl) und haben uns an einem Ort (im Wohnzimmer) zur gleichen Zeit (um halb acht) mit derselben massenmedialen Hintergrundrealität (den „Nachrichten“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) versorgen lassen. Dort hat uns lange Zeit Hugo Portisch „die Welt“ erklärt – und wir sind dieser „Instanz“ andächtig gefolgt und haben das Gesagte nicht weiter hinterfragt (da lag ein Latenzschutz drüber, das war außerdem ganz schön „wissenschaftlich“, also wahr – und zudem verständlich). Ein wenig systemischer vielleicht? Ok.

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bruchstücke